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Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert „Transparenz-Revolution“: Verwaltungen sollen relevante Informationen im Internet veröffentlichen

Um auf Transparenz-Defizite hinzuweisen, werden regelmäßig „Heimlichtuer“ gekürt

Ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus fünf Verbänden hat heute (19.10) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Forderung nach einem landesweiten Transparenzregister für alle Behörden und Verwaltungen bekräftigt. Damit stützt die Gruppe den Vorstoß des Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink, der Anfang Oktober auf den IFG Days transparentere Behörden angemahnt hatte. Unter dem Motto „Transparenz-Revolution jetzt“ fordern die Landesverbände von Mehr Demokratie, Transparency Deutschland, NABU sowie FragdenStaat und das Netzwerk Recherche eine Trendwende von der Einzelinformation auf Anfrage hin zur automatischen Veröffentlichung aller relevanten Behördeninformationen im Internet.

„Unter dem aktuell geltenden Informationsfreiheitsgesetz des Landes sind Bürgerinnen und Bürger, Umwelt- und Verbraucherschutzverbände oder Medienschaffende Bittstellerinnen und Bittsteller und bleiben mit ihren Fragen oft im schwerfälligen Behördennetz hängen. Bei automatischer Veröffentlichung aller Informationen im Transparenzregister können wichtige Fragen jederzeit ohne Kosten und Zeitverlust recherchiert werden. Wir fordern die Landesregierung daher eindringlich auf, ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft ein Transparenzgesetz zügig auf den Weg zu bringen“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle im Namen der fünf Verbände.

Freier Zugang zu Information: Digitalisierungsschub und Stärkung der Demokratie

In den Keller steigen, um auf Anfrage eines Bürgers nach einer verstaubten Akte zu fischen? Dazu hätten die meisten Verwaltungsmitarbeitenden nachvollziehbarer Weise weder Zeit und noch Lust. „Unsere Verwaltungen müssen oft noch unter den Bedingungen des letzten Jahrhunderts arbeiten. Über ein Transparenzgesetz kann das Land dringend nötige Anreize für einen Digitalisierungsschub setzen. Dies erleichtert die Arbeitsabläufe in den Verwaltungen und ermöglicht zugleich umfassende Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern“, so Siegfried Gergs, Landesvorsitzender von Transparency Deutschland.

In Zeiten von Fake-News könne eine transparente und bürgernahe Verwaltung dem um sich greifenden Vertrauensverlust in öffentliche Institutionen etwas entgegensetzen. „Dabei hat Transparenz nicht nur eine wichtige Kontrollfunktion, sie ist auch eine Einladung zur demokratischen Teilhabe. Bürgerinitiativen zum Beispiel können so Verwaltungshandeln besser nachvollziehen, aber auch leichter eigene Vorschläge rechtzeitig in die öffentliche Debatte einbringen. So wird konstruktives demokratisches Engagement ermöglicht“, sagt Sarah Händel von Mehr Demokratie.

Auch für den Journalismus wäre ein Transparenzgesetz von Vorteil. „Die Berichterstattung gewinnt eine neue Tiefe, wenn sie sich nicht nur auf Auskünfte der Pressestelle stützen muss, sondern wenn Gutachten, Studien und Verträge der öffentlichen Hand direkt zugänglich sind“, betont Manfred Redelfs von der Journalisten-Organisation Netzwerk Recherche. „Wenn Baden-Württemberg mit diesem Gesetz mehr Transparenz wagt, ist das nicht nur eine überfällige Reform, sondern ein Booster für die Demokratie und die Qualität der öffentlichen Debatte.“

Heimlichtuer 2022“: Stadt Blumberg verweigert Auskunft über Berechnung der Abwassergebühren

Dass im Südwesten das Recht auf Information nicht immer ernst genommen wird, zeigen verschiedene Fälle von Auskunftsverweigerung. Ein Beispiel ist der langwierige Streit zwischen der Landwirtschaftsverwaltung und dem NABU zum Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten, der schließlich erst vor Gericht zugunsten des NABU entschieden wurde.

Einen besonders erstaunlichen Fall von Auskunftsverweigerung durch eine Stadtverwaltung hat Dietrich Kuntz, Bürger der Gemeinde Blumberg (Schwarzwald-Baar-Kreis), erlebt. „Ich wollte die Kalkulationsgrundlagen der Abwassergebühren der Stadt einsehen und werde seit sechs Jahren schlicht ignoriert. Selbst ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim wird von der Stadtverwaltung einfach missachtet“, fasst Kuntz den Sachstand zusammen. „Jetzt müsste ich als Privatperson kostspielig klagen, um mein vom Gericht bestätigtes Recht auf Informationszugang durchzusetzen. Das kann doch nicht sein!“

Für das Bündnis ist die Stadt Blumberg damit ein geeigneter Kandidat, um als „Heimlichtuer“ die Liste der Auskunftsverweigerer anzuführen. Der „Heimlichtuer“ ist ein von den Verbänden neu ins Leben gerufene, zweifelhafte Ehrung für öffentliche Institutionen, die das Informationsrecht der Bürgerinnen und Bürger missachten oder blockieren. Weitere Fälle wird das Bündnis in den nächsten Monaten sukzessive vorstellen, um zu zeigen, warum ein Transparenzgesetz für alle Beteiligten die bessere Lösung wäre.

Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Heidelberg, bei der Dietrich Kuntz innerhalb weniger Tagen die gewünschten Informationen bekam. Allerdings musste er hier eine Bearbeitungsgebühr von rund 100 Euro für die Auskunft bezahlen. „Solche Gebühren schrecken jene Bürgerinnen und Bürger, die etwas wissen wollen, oft ab. Mit einem Transparenzgesetz wären diese Gebühren hinfällig”, erläutert Sarah Händel.

Zum Hintergrund:

Der Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung führt auf S. 95 zur Transparenz aus: „Wir werden auf Basis der Evaluationsergebnisse das Landesinformationsfreiheitsgesetz zu einem Transparenzgesetz weiterentwickeln, das einen angemessenen Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung gewährleistet und eine sachgerechte, proaktive Veröffentlichung von Daten vorsieht. Die Regierungsfraktionen setzen hierzu eine entsprechende Arbeitsgruppe ein.“

Bisher ist es noch nicht zur Einsetzung einer solchen Arbeitsgruppe gekommen.

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